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Der Herr der Ringe: Die Zwei Türme
<Last Update: 30.12.2002>
 
Der Herr der Ringe: Die Zwei Türme
The Lord of the Rings: The Two Towers
NZ/USA 2002
Regie: Peter Jackson
Drehbuch: Frances Walsh, Peter Jackson u.a.
Darsteller: Elijah Wood, Ian McKellen, Viggo Mortensen, Liv Tyler, Christopher Lee, Sean Astin u.a.

Länge: 179 min.
Altersfreigabe: ?


Ralfs Rezension:

Vor genau einem Jahr kam weltweit einer der am meist erwarteten und diskutierten, aufwändigsten und teuersten Filme aller Zeiten in die Kinos: Der Herr der Ringe: Die Gefährten, die Verfilmung des ersten Teils von J.R.R. Tolkien’s gleichnamigem, genre-bildendem Fantasy-Epos. Das bildgewaltige Meisterwerk vermochte sowohl Buchfans als auch „ungebildete“ Zuschauer zu begeistern und wurde ein grandiose Erfolg in jeder Hinsicht.
Jetzt ist der zweite Teil der Trilogie gestartet und die Erwartungen sind so hoch wie Mittelerde groß ist. Regisseur Peter Jackson musste die knifflige Aufgabe leisten, die einzelnen Abenteuer der nun zerbrochenen Ringgemeinschaft zu erzählen, der Buchvorlage wieder so weit wie möglich gerecht zu werden und nebenbei noch die Neulinge nicht zu überfordern. 
Letzteres ist ihm für sich genommen nur bedingt gelungen, da zum Verstehen der Handlung und ihrer Charaktere die Kenntnis des ersten Teils (am besten der „special extended“ DVD-Version) unbedingt erforderlich ist; wem zudem noch das Buch vertraut ist, wird wie schon in Die Gefährten unendlich viel mehr Details wiedererkennen und der Erzählung nochmals einfacher folgen können. Jedoch sollte jedem klar sein, dass dieser Film schlicht der kompromisslose Mittelteil einer Trilogie ist und somit auch gar keine langen Erklärungen leisten kann oder will – und es auch gar nicht erst versucht!
Die Erzählstruktur mit ihren mitunter willkürlich erscheinenden Sprüngen ist nach dem linearen Vorläufer erst einmal gewöhnungsbedürftig, doch sobald alle Teilstränge begonnen wurden, werden diese mitunter gekonnt verbunden und schweißen Die Zwei Türme insgesamt doch zu einem geschlossenen Meisterwerk zusammen. 
Gewichtiger als jemals zuvor bei einer Buchverfilmung ist beim Herrn der Ringe die Texttreue, die mitunter eisern von den ungezählten Fans verteidigt wird. Konnte der erste Teil trotz Auslassung einiger jedoch eher als unwichtig zu bezeichnenden Episoden neben den „normalen“ Zuschauern den Großteil der Buchfans überzeugen, ist dies beim verschachtelten Die Zwei Türme deutlich problematischer – und tatsächlich wird der Handlungsverlauf an einigen Stellen sichtbar umgebaut, verkürzt oder erweitert. So fallen die Riesenspinne Kankra in diesem Teil und Baumbarts Huorns bei Helms Klamm ganz weg, während Frodo und Sam zusammen mit Faramir (Boromir sehr, wenn nicht zu ähnlich) die umkämpfte Stadt Osgiliath besuchen und Aragorn einen kurzen und eher überflüssigen Scheintod stirbt.
Fast alle Eingriffe sind aber für die Dramaturgie des Films wichtig, der ansonsten nicht funktionieren oder deutlich länger sein würde, und ändern schlussendlich die Haupthandlungen des Buches nicht ab. 
Wie schon im ersten Teil sind dafür Details eingearbeitet worden, die der unbelesene Kinogast schwerlich verstehen oder überhaupt bemerken wird.
Insgesamt haben die Macher bei der reinen Adaption der Geschichte wieder grandioses geleistet, auch wenn es dem verwöhnten Zuschauer mit den verschiedenen Handlungen, Orten und Figuren nicht ganz leicht gemacht wird. Letztere werden erneut von ausdrucksstarken Schauspielern verkörpert, die enorm zur schwer fassbaren Atmosphäre des Films beitragen. 
Auffällig bei den Charakteren ist es übrigens, dass geradezu plötzlich die Freundschaft von Legolas und Gimli eingearbeitet wurde und letzterer zudem zum grummeligen Sprüchereißer („One-Liner“) geworden ist, was aber nicht störend wirkt.
Zusammen mit den endlosen Landschaften, den beeindruckenden Bauwerken und der üppigen Ausstattung entsteht das seltene Gefühl, dass diese filmische Welt Mittelerde wirklich existiert und nicht gleich hinter der nächsten Pappwand aufhört. 
Natürlich ist solch eine Illusion nur mit exzessivem SFX-Einsatz zu erzeugen, und was sich in Die Gefährten schon andeutete, wird hier eingelöst: niemals gesehene Massenschlachten, die die uns bekannten Bildwelten erneut erweitern; das menschliche Auge ist nicht schnell genug, um alle Details einer Szene wahrzunehmen (was jedoch in kleineren Handgemengen auch an der etwas zu hektischen Kamera liegt). 
Der heimliche Star des Films und auch vielschichtigster Charakter ist dabei der vom Bösen korrumpierte und vollständig aus dem Computer stammende Gollum. Zusammen mit der sowohl im Original als auch Deutschen genialen Stimme beschert er dem Zuschauer die besten Einzelszenen, wenn seine beiden Persönlichkeiten um die Vorherrschaft streiten und dabei eine beängstigend realistische Mimik offenbart wird. Die Interaktion mit der wirklichen Umgebung und den Schauspielern ist sowieso perfekt. Die deutschen Synchronisation ist übrigens größtenteils sehr gelungen; für einige unpassende Stimmen oder gelangweilt wirkende Reden entschädigt eine gehobene Sprache im Stile von Margaret Carrouxs Buchübersetzung.
Nichtsdestotrotz sind einige Spezialeffekte leider eindeutig als solche auszumachen, und zwar hauptsächlich bei der digitalen Verkleinerung der Hobbits (Unschärfe) und bei Nahaufnahmen mit eingeblendeten Hintergründen – alles Dinge, die auch im ersten Teil auffielen, aber die die überwiegende Trickperfektion nicht schmälern können. Ach so, die toll designten Ents mit ihren hölzernen ;-) Animationen und dem bahnbrechenden Angriff auf Isengart müssen noch einmal ausdrücklich gelobt werden, gerade weil deren Szenen im Vergleich zum Buch ordentlich zusammengekürzt wurden!
Man könnte jetzt ewig weiter Details analysieren, z.B. dass fast jede Szene zeitlich genau richtig geschnitten ist – hier kippt nichts ins kitschige oder platt pathetische, sondern bleibt immer schlicht episch –, aber das würde zu weit gehen. 
Ich bin von Die Zwei Türme erneut absolut begeistert, halte ihn wie den ersten Teil für einen der besten Filme aller Zeiten und kann angesichts einiger überkritischer Stimmen nur den Kopf schütteln: Dies ist „schlicht“ eine (wenn auch bewundernswert gelungene) Buchverfilmung, und wenn die Vorlage eben ernst, düster, arm an starken Frauen und reich an verschachtelten Handlungssträngen ist, kann und soll der Film dies auch sein!

5/5

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