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Der Untergang
D 2004
Regie: Oliver Hirschbiegel
Drehbuch: Bernd Eichinger (nach
dem Buch von Joachim Fest)
Darsteller: Bruno Ganz, Alexandra
Maria Lara, Juliane Köhler, Corinna Harfouch, Ulrich Matthes, Thomas
Kretschmann, Christian Berkel, Ulrich Noethen, Michael Mendl, Heino Ferch
u.a.
Länge: 150 min.
Altersfreigabe: ?
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1945. Die Nazi-Führung
um Adolf Hitler hat sich im Führerbunker unter der von der Roten Armee
bedrängten Reichshauptstadt Berlin verschanzt und wartet auf
das Ende ihres "tausendjährigen Reiches"...
Ralf:
Der Untergang hat bereits lange
im Vorfeld die Medien und Feuilletons aufgemischt. Der für deutsche
Verhältnisse Big-Budget-Film des hiesigen Vorzeigeproduzenten Bernd
Eichinger schildert die letzten Tage Nazi-Deutschlands und nähert
sich dabei konkret der Person Adolf Hitler. Schon schallte es aus dem Blätterwald:
"Hoppla, darf man das personifizierte Böse bar jeder Menschlichkeit
als Mensch zeigen?" (solche Fragen implizieren ein Nein als Antwort).
Klar darf man das, denn der Wahnsinnige
mit dem markanten Schnurrbart war ja kein Dämon oder Teufel, sondern
immer noch und trotz allem ein Sterblicher.
Und um ganz im Kanon mit unzähligen
anderen Rezensionen zu bleiben: Nein, Hitler bzw. die Darstellung desselben
erweckt in den wenigen entsprechenden Szenen auch kein Mitgefühl,
das zu Verständnis oder schlimmerem seitens des Zuschauers führen
könnte. Dazu ist seine dunkle Seite einfach zu überpräsent
und nimmt auch deutlich mehr Screentime ein.
Einige größere, bekanntere
Publikationen haben den Untergang generell verrissen mit dem sinngemäßen
Hinweis auf fehlende neue Einsichten und plakativ-effekthascherische Darlegung
bekannter Fakten oder konträr umstrittener Vermutungen. Hier kann
man nur mit dem Kopf schütteln (ebenso wenn in diesem Fall geschichtlicher
Nationalmasochismus beklagt wird), denn Der Untergang ist schlicht
großes Kino!
Der Untergang ist kein Lehrfilm
über die Nazi-Zeit und die NS-Verbrechen, denn über dieses Wissen
sollte jeder halbwegs gebildete Zuschauer verfügen (hallo, Guido Knopp).
Hier werden mit großem Aufwand Welthistorisches im oft kleinen, geradezu
persönlichen Rahmen und schlussendlich das Grauen des Krieges und
der NS-Zeit dargestellt.
Die Schauspieler (besonders Bruno Ganz
als Hitler, aber auch Corinna Harfouch und Ulrich Matthes als Eheleute
Goebbels) sind brilliant und absolut glaubwürdig, die Ausstattung
und Inszenierung hervorragend und die Stimmung einfach nur bedrückend.
Beinahe durchgehend hat man einen Kloß im Hals und die vielen kleinen
großen Szenen verstärken dies noch.
Während im Führerbunker eine
zunehmend klaustrophobische und gespenstische Atmosphäre aufkommt
- atemberaubend durch Artilleriedauerbeschuss statt Musik, der den Kinosaal
erzittern lässt -, wird immer wieder ins Kampfgeschehen in den Straßen
von Berlin geschnitten. Diese Szenen protzen nicht mit Splattereffekten
à la Der Soldat James Ryan, sondern zeigen das tragische,
aber ambivalent und nicht nur auf/gegen Deutsche bezogen wirkende Schicksal
von Zivilisten, jung und alt.
Je ausssichtsloser die Lage wird, je hingebungsvoller
einige Anhänger dem Führer - "Der Führer ist der Führer"
- bis in den Tod zu folgen bereit sind, desto grauslicher wird der Eindruck
vom Fanatismus dieser Zeit (passend dazu auch die Interviewausschnitte
der echten Traudl Jung am Anfang und Ende des Films).
Hervorzuheben sind noch einige Schlüsselszenen
wie der Hitler-Suizid, die von Oliver Hirschbiegel (Das
Experiment) kongenial inszeniert wurden. Man kann kritisieren,
dass ab erwähnter Szene der Film dramaturgisch einige Längen
hat, die inhaltlich aber nachvollziehbar sind. Das Ende verbreitet dann
eine leise "Hurra, wir leben noch"-Stimmung inmitten einer toten Trümmerlandschaft.
Das Publikum in der vom Rezensenten besuchten
Vorstellung war über die volle Länge tief gebannt und mitgenommen,
nur zum einzigen, befreienden Witz eines Soldaten lösten sich berechtigte
Lacher. Nach dem Film - der mit den wohl nötigen Infos über Judenvernichtung
und Todeszahlen schließt - herrschte dann betretenes Schweigen. Wahrscheinlich
auch mehrheitlich authentisch und nicht aus "Jetzt was sagen ist unangebracht"-Überlegungen.
Ein großer Film, der dem Zuschauer
zwar kaum etwas neues über die wohl am besten erforschte Epoche der
Geschichte beibringt, aber das Leiden und den Wahnsinn körperlich
spürbar werden lässt. |
5/5
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