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Der Untergang
<Last Update: 19.09.2004>
 
Der Untergang
D 2004
Regie: Oliver Hirschbiegel
Drehbuch: Bernd Eichinger (nach dem Buch von Joachim Fest)
Darsteller: Bruno Ganz, Alexandra Maria Lara, Juliane Köhler, Corinna Harfouch, Ulrich Matthes, Thomas Kretschmann, Christian Berkel, Ulrich Noethen, Michael Mendl, Heino Ferch u.a.

Länge: 150 min.
Altersfreigabe: ?


1945. Die Nazi-Führung um Adolf Hitler hat sich im Führerbunker unter der von der Roten Armee bedrängten Reichshauptstadt Berlin  verschanzt und wartet auf das Ende ihres "tausendjährigen Reiches"...

Ralf:
Der Untergang hat bereits lange im Vorfeld die Medien und Feuilletons aufgemischt. Der für deutsche Verhältnisse Big-Budget-Film des hiesigen Vorzeigeproduzenten Bernd Eichinger schildert die letzten Tage Nazi-Deutschlands und nähert sich dabei konkret der Person Adolf Hitler. Schon schallte es aus dem Blätterwald: "Hoppla, darf man das personifizierte Böse bar jeder Menschlichkeit als Mensch zeigen?" (solche Fragen implizieren ein Nein als Antwort). 
Klar darf man das, denn der Wahnsinnige mit dem markanten Schnurrbart war ja kein Dämon oder Teufel, sondern immer noch und trotz allem ein Sterblicher. 
Und um ganz im Kanon mit unzähligen anderen Rezensionen zu bleiben: Nein, Hitler bzw. die Darstellung desselben erweckt in den wenigen entsprechenden Szenen auch kein Mitgefühl, das zu Verständnis oder schlimmerem seitens des Zuschauers führen könnte. Dazu ist seine dunkle Seite einfach zu überpräsent und nimmt auch deutlich mehr Screentime ein.
Einige größere, bekanntere Publikationen haben den Untergang generell verrissen mit dem sinngemäßen Hinweis auf fehlende neue Einsichten und plakativ-effekthascherische Darlegung bekannter Fakten oder konträr umstrittener Vermutungen. Hier kann man nur mit dem Kopf schütteln (ebenso wenn in diesem Fall geschichtlicher  Nationalmasochismus beklagt wird), denn Der Untergang ist schlicht großes Kino!
Der Untergang ist kein Lehrfilm über die Nazi-Zeit und die NS-Verbrechen, denn über dieses Wissen sollte jeder halbwegs gebildete Zuschauer verfügen (hallo, Guido Knopp). Hier werden mit großem Aufwand Welthistorisches im oft kleinen, geradezu persönlichen Rahmen und schlussendlich das Grauen des Krieges und der NS-Zeit dargestellt.
Die Schauspieler (besonders Bruno Ganz als Hitler, aber auch Corinna Harfouch und Ulrich Matthes als Eheleute Goebbels) sind brilliant und absolut glaubwürdig, die Ausstattung und Inszenierung hervorragend und die Stimmung einfach nur bedrückend. Beinahe durchgehend hat man einen Kloß im Hals und die vielen kleinen großen Szenen verstärken dies noch. 
Während im Führerbunker eine zunehmend klaustrophobische und gespenstische Atmosphäre aufkommt - atemberaubend durch Artilleriedauerbeschuss statt Musik, der den Kinosaal erzittern lässt -, wird immer wieder ins Kampfgeschehen in den Straßen von Berlin geschnitten. Diese Szenen protzen nicht mit Splattereffekten à la Der Soldat James Ryan, sondern zeigen das tragische, aber ambivalent und nicht nur auf/gegen Deutsche bezogen wirkende Schicksal von Zivilisten, jung und alt.
Je ausssichtsloser die Lage wird, je hingebungsvoller einige Anhänger dem Führer - "Der Führer ist der Führer" - bis in den Tod zu folgen bereit sind, desto grauslicher wird der Eindruck vom Fanatismus dieser Zeit (passend dazu auch die Interviewausschnitte der echten Traudl Jung am Anfang und Ende des Films). 
Hervorzuheben sind noch einige Schlüsselszenen wie der Hitler-Suizid, die von Oliver Hirschbiegel (Das Experiment) kongenial inszeniert wurden. Man kann kritisieren, dass ab erwähnter Szene der Film dramaturgisch einige Längen hat, die inhaltlich aber nachvollziehbar sind. Das Ende verbreitet dann eine leise "Hurra, wir leben noch"-Stimmung inmitten einer toten Trümmerlandschaft.
Das Publikum in der vom Rezensenten besuchten Vorstellung war über die volle Länge tief gebannt und mitgenommen, nur zum einzigen, befreienden Witz eines Soldaten lösten sich berechtigte Lacher. Nach dem Film - der mit den wohl nötigen Infos über Judenvernichtung und Todeszahlen schließt - herrschte dann betretenes Schweigen. Wahrscheinlich auch mehrheitlich authentisch und nicht aus "Jetzt was sagen ist unangebracht"-Überlegungen.
Ein großer Film, der dem Zuschauer zwar kaum etwas neues über die wohl am besten erforschte Epoche der Geschichte beibringt, aber das Leiden und den Wahnsinn körperlich spürbar werden lässt.

5/5

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