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Killerin erwacht nach vier
Jahren aus dem Koma und rächt sich an denen, die sie dorthin brachten...
Ralf:
Quentin Tarantino gehört zu den Ausnahmeerscheinungen
Hollywoods: Er hat bis jetzt vier Spielfilme gemacht, gehört aber
spätestens schon seit Pulp Fiction zu den absoluten Ausnahme-
und Kultregisseuren. Dabei ist auffällig, dass Tarantino niemals irgendwelche
"klassischen" Filmausbildungen absolviert hat, sondern seine schier unerschöpflichen
Ideen aus unzähligen konsumierten Movies aus u.a. seiner Videothekarzeit
schöpft. Und zum Glück konnte er bisher immer seine Ideen ohne
größere Kompromisse verwirklichen.
Jetzt ist er nach sechs Jahren Abstinenz
zurück. Sein letzter Film Jackie Brown hat viele tumbe Pulp
Fiction-Fans enttäuscht, war aber für sich wieder ein neues,
unabhängiges Meisterwerk, das vor allem Tarantino's Vorliebe für
die "Blaxploitation"-Filme der 70er herausstellte. Jetzt ist sein nächster
großer Genre-Favorit dran: die Eastern und Heroic-Bloodshed-Actioner
aus dem fernen Osten. Aus den Motiven und Stilmitteln dieser bei uns zumeist
unter Wert gehandelten Filme hat Tarantino jetzt eine unglaubliche Tour
de force gemacht, die man so niemals aus Big-Budget-Hollywood erwartet
hätte: Blut, Blut, Blut! Tarantino hat seine unverwechelbaren genialen
Dialogszenen größtenteils über Bord gekippt, eine komplexe
Geschichte gleich hinterher, und sich auf das Wesentliche konzentriert
- "Eine Frau sieht rot"!
Zu Beginn des Films wird noch kurz mit
Tarantino's "Blaxploitation"-Phase abgeschlossen und mit seinem Personenkult
gewitzelt, dann geht's auch bald nach Japan. Diese frühe Prä-Nippon-Phase
des Films ist noch die realitätsnähste, die auch die (psychisch)
härtesten Szenen bietet, die teils nicht unumstritten sind. Den Übergang
bildet dann eine ausführliche und faszinierende Anime-Sequenz, die
in sehr ausdrucksstarken Bildern Dinge zeigt oder auch nur andeutet, die
im westlichen Kino in realen Bildern nicht zu zeigen wären. Verschiedene
Zeitebenen gibt es auch in Kill Bill, da erwähnte Animation
z.B. die Vergangenheit einer Protagonistin schildert. Zurück in der
Gegenwart und "realen Welt" hat der Film die Realität dann hinter
sich gelassen und schraubt sich hoch zu einer gnadenlos übersteigerten
und comichaften Metzelorgie, in der Körperteile abgetrennt werden
und literweise Blut spritzt. Dazu kommen einige wenige "Wire Fu"-Einlagen
und surreale Handlungsorte. Nominell ist der Film in diesem Hauptpart mit
das härteste, was je in den Multiplex-Kinos lief, aber reell kann
man diese Gewalt ob ihrer Übersteigerung auch nicht ernst nehmen -
ES IST ALLES BRÜLLEND KOMISCH!!!
Solch einen Film wollten zumindest männliche
Action-Fans schon immer sehen; keine hinderliche Story, keine bekloppten
Witzeleien oder "Buddy"-Humor à la Bad Boys, nur Non-Stop-Action,
unterbrochen durch ruhige, meditative Szenen, die zum einen dem Zuschauer
Erholung verschaffen, zum anderen das ganze Blutvergießen (Gewalt
kann man es eigentlich nicht mehr nennen) ironisch-philosophisch durchbrechen.
Selbstverständlich ist Kill Bill
technisch perfekt, genial gefilmt, bietet eine unfassbare Filmmusik, verfügt
über grandiose Darsteller (hauptsächlich in Form von Uma Thurman,
auf die Tarantino angeblich all die Jahre mit seinem Film gewartet hat)
und unzählige skurrile Einfälle. Interessant auch, dass der Großteil
des Films ohne Sprache auskommt bzw. dann hauptsächlich Japanisch
mit Untertiteln bietet; die englischsprachige Version lohnt sich trotzdem,
da es einige amüsante Szenen mit gebrochen Englisch sprechenden Japanern
gibt.
Ursprünglich war Kill Bill als
über dreistündiges Epos geplant, doch so weit wollten die herrischen
Studiobosse dann doch nicht gehen und Tarantino teilte den Film in zwei
Teile, Vol. 1 und Vol.
2.
Der Schnitt ist dramaturgisch jedoch sehr
gelungen und bietet einen interessanten Cliffhanger. Natürlich kann
man so die Geschichte, einige Charaktere und eigentlich den "ganzen" Film
nicht wirklich beurteilen, ärgerlicher sind da jedoch die Entschärfungen,
die nur den Japanern erspart bleiben: die große Schlüsselkampfszene
bekommen wir nur in Schwarzweiß zu sehen, außerdem sind einige
Kürzungen in drastischeren Szenen deutlich erkennbar.
Alles in allem ein absolutes Muss für
jeden Filmfan, das man mit einem ordentlichem Filmwissen noch mehr würdigen
wird (auch so wird man sicher nur eine Bruchteil der Verweise und Hommagen
verstehen). Vielleicht noch essentieller als Die Rückkehr des Königs
dieses Jahr... |
5/5
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