Story
Hybrid Heaven wirft den Spieler
zu Beginn erst einmal ins kalte Wasser: Man erfährt im Intro, dass
ein gewisser Johnny, offensichtlich der Spielercharakter, am 20.12.2000
den US-Präsidenten in New York City "austauschen" soll, damit "die
Invasion" gefahrlos über die Bühne gehen kann. Doch kurz darauf
wird Johnny von Diaz, einem blonden Großstadtindianer, von dem er
eigentlich Ausrüstung und Waffen erhalten sollte, erschossen - Johnny's
Körper löst sich rückstandslos und der Spieler steuert plötzlich
Diaz!
Bis diese Vorgänge aufgelöst
und die Pläne der Invasoren offengelegt werden, vergehen erst einmal
ein paar Spielstunden.
Grob umschnitten geht es um eine Invasion
von Hybriden, genetisch verbesserte Klone, die ihre menschlichen Originale
ersetzen. Das Hauptquartier der Invasoren, in welchem Kampfroboter, Mutanten
und eben die Hybriden erschaffen werden, befindet sich tief unter der Erde
in einem gigantischen Komplex, der wiederum auf einem außerirdischen
Raumschiff erbaut wurde.
Die Aufgabe des Spielers ist somit klar.
Die Aliens aufhalten, ihre Geheimbasis zerstören und an die Oberfläche
zurückkehren. Kurz gesagt, die Welt retten und überleben.
Spielelemente
Hybrid Heaven ist ein neuartiger
Genremix aus Action, Jump&Run, Rollenspiel und Wrestling. Ja, richtig
gelesen, im innovativen Kampfsystem spielt das umstrittene "Sports Entertainment"
eine große Rolle. Eigentlich sind die zahlreichen Kämpfe sogar
der Hauptbestandteil des Spiels.
KAMPF: Sobald man einen Mutanten,
Kampfroboter oder Hybriden sichtet, bleiben einem nur wenige Sekunden,
sich der drohenden Auseinandersetzung durch einfaches Weglaufen in den
nächsten Raum etc. zu entziehen. Wenn der Gegner jedoch erst einmal
herangekommen ist, heisst es "Fight!" und es wird in den speziellen Kampfmodus
umgeschaltet.
Hier umkreisen sich die Kontrahenten in
Echtzeit und man kann sich relativ frei im Kampfgebiet bewegen. Möchte
man angreifen, kann man den Gegner entweder versuchen zu greifen (R) oder
drückt einfach B - dabei ist das Timing sehr wichtig, da man auch
ins Leere greifen/schlagen/treten kann. Jetzt wird das Spiel eingefroren
und man sucht sich in aller Ruhe den Schlag oder Tritt aus, den man ausführen
möchte (es wird in linker und rechter Arm bzw. Bein unterschieden).
Danach wird die ausgewählte Attacke in Echtzeit ausgeführt. Wenn
man einen Gegner gegriffen hat, kommt man nach einem automatischen Stärkemessen
ebenfalls in solch ein Auswahlmenü - wenn man denn der Stärkere
ist -, und sucht sich in Ruhe den passenden Wrestling-Wurf aus!
Zusätzliche Feinheiten gibt es in
Form des Stamina-Balkens, der für erfolgreiche Griffe wichtig ist
und durch Herumlaufen und ausgeführte Griffe und Würfe abnimmt,
und des fünffach aufladbaren Power-Balkens, der natürlich für
die Angriffsstärke als auch für die frei editierbaren Combos
(Angriffe alle hintereinander) wichtig ist.
Wird man selbst angegriffen oder erfolgreich
gegriffen, kann man sich für Abwehren, Entkommen oder Kontern entscheiden.
Während aber die beiden ersten Möglichkeiten zumindest bei normalen
Angriffen oft funktionieren, führen Konterversuche so gut wie niemals
zum Erfolg.
Ansonsten kann man noch die seltenen Spezialpistolen
einsetzen, sich heilen oder für diesen Kampf sich in verschiedenen
Attributen stärken oder den Gegner schwächen. Bei den Griffen
wird noch zwischen Front-, Rücken- und K.O.-Griffe unterschieden (der
Gegner und man selbst könnenn durch starke Angriffe auch bewusstlos
zu Boden gehen oder gar zeitlich begrenzte "Verkrüppelungen" an verschiedenen
Körperteilen erleiden).
Nach einem erfolgreichen Kampf bekommt
man eine Auswertung, und wenn man das beste Ranking, das merkwürdigerweise
"SS" heisst, erreicht, werden verschiedene Charakterattribute automatisch
gesteigert. Der Charakter wird somit rollenspiel-typisch stärker,
schneller, widerstandsfähiger etc. Welche Attribute das sind und um
wie viele Punkte diese ansteigen, kann man sich jedoch nicht aussuchen,
sondern geschieht automatisch.
Neue Schläge, Tritte oder Griffe
erlernt man, wenn der Gegner sie erfolgreich am Spielercharakter anwen-
den konnte. Auch hier ist ein "SS"-Ranking Voraussetzung, aber eine Lerngarantie
gibt es trotzdem nicht.
Insgesamt ist das Kampfsystem erfrischend
anders, wirkt durchdacht und lässt sich auch gut steuern. Jedoch kann
nicht verhindert werden, dass sich im späteren Spielverlauf eine langweilende
Routine einschleicht...
SCHLÜSSEL: Ein weiteres wichtiges
Spielelement sind die speziellen Codetüren, die die verschiedenen
Abschnitte des unterirdischen Komplexes voneinander trennen. Der Spieler
besitzt gleich zu Spielbeginn einen Codeschlüssel. Der Schlüssel
gilt aber nur für die nächste Codetür! Um die Zugangsberechtigungen
für alle späteren Türen zu erlangen, muss man den jeweiligen
Codewandler finden, der den Codeschlüssel "erneuert", also um den
benötigten Türcode erweitert. Faktisch bedeutet dies, dass es
auf einer Korridorkreuzung links zur Codetür geht, rechts aber zum
Codewandler, wo noch Gegner lauern...
ENERGIEGITTER: Der Spieler wird
oft auf verschiedenfarbige Energiegitter stoßen. Diese kann man nur
deaktivieren, in dem man den passenden Schalter mit dem Diffusor zerstört.
Diese Standardwaffe hat man ebenfalls schon zu Spielbeginn und kann auch
zum Ausschalten von kleinen Wachrobotern oder Fallen eingesetzt werden.
Munition benötigt die Waffe nicht, aber ihre Reichweite ist begrenzt.
LIFE STATIONS: An diesen Maschinen
kann man den Spielstand sichern. Gleichzeitig wird der Charakter hier immer
vollständig geheilt. Übersehen kann man eine Life Station eigentlich
nicht, dazu sind sie meistens zu selten.
Der Rest: Hin und wieder gibt es
auch kleinere Sprung- und Kletterpassagen und Kriechabschnitte. Zu tief
fallen kann man nicht, außer man stürzt ins Abgründe, und
im Kriechen ist schießen nicht möglich.
Bedienung
Die Knopfbelegung ist durchdacht und macht
einem das Spiel nicht unnötig schwer. Auch lässt sich die Spielfigur
recht exakt bewegen. Von den drei Möglichkeiten, sich umzuschauen,
benutzt man aber nur die Ego-Perspektive.
Mehrspieler
Mann kann seine Charaktere aus dem Einzelspielermodus
laden und gegeneinander antreten. Das ist zwar ganz nett, aber so richtig
genutzt habe ich den Modus nie.
Präsentation
GRAFIK: Ein ganz klarer Schwachpunkt
von Hybrid Heaven! Beinahe die gesamte Spielwelt besteht aus absolut
kahlen, nutzlosen Räumen, die zudem noch mit niedrig aufgelösten,
langweiligen Texturen "verschönt" werden. Nur selten gelangt man in
architektonisch interessante Gebiete oder bekommt abwechslungsreiche Texturen
zu Gesicht. Die Farbgebung variiert die meiste Zeit zwischen Grau und Rot-Braun.
Über all dem liegt eine N64-typische Unschärfe, aber dafür
wird man fast immer von dicken Nebelwänden verschont.
Im optionalen HiRes-Modus ist die Grafik
sichtbar schärfer, dafür ruckeln sowohl das Spielgeschehen als
auch die Echtzeit-Zwischensequenzen deutlich.
Die Figuren sind recht gut designt (besonders
einige nicht-menschliche Gegner), leiden aber an niedriger Texturschärfe,
geringer Polygonzahl und vor allem an Clippingfehlern: Polygonüberschneidungen
sind allgegenwärtig. Der Spielercharakter ist übrigens
die hässlichste Figur im Spiel!
Die Animationen sind durchschnittlich,
besonders in Zwischensequenzen wirken sie hölzern und unrealistisch.
Die Übergänge zwischen einzelnen Animationen sind nicht sehr
flüssig.
Die Zwischensequenzen sind gut und packend
inszeniert, leiden aber an den technischen Mängeln.
MUSIK: Die Musik passt gut zum
Geschehen, wobei besonders die dramatischen Stücke hervorzuheben sind.
Nur selten nervt die Musik, dann aber richtig.
SOUND: Die Soundeffekte sind keine
Weltklasse, aber annehmbar. Leider gibt es nicht besonders viele. Im Intro
und in der Endsequenz gibt es recht viel englische Sprachausgabe mit Untertiteln
von guter technischer Qualität; die Sprecher sind jedoch unterschiedlich
talentiert. Bei den Untertiteln bzw. bei der Sprache scheint es übrigens
einen Fehler im Spiel zu geben: Ich habe zu Spielbeginn Deutsch gewählt,
aber nach dem ersten Speichern wurde automatisch wieder auf Englisch umgeschaltet
- und im Spiel selbst kann man die Sprache nicht mehr verändern (Die
Übersetzung ist aber akzeptabel). Im Spiel gibt es spärliche
Sprachausgabe im Kampf, die aber in Ordnung geht.
Spielverlauf
Nach dem spannenden Beginn ist die Motivation
hoch, die Geheimnisse um den unterirdischen Komplex und den Spielercharakter
("Verdammt, wer bin ich!?") zu lüften. Sobald ich die wichtigsten
Spielelemente verstanden habe, will ich natürlich meinen Kämpen
hochzüchten, auch wenn er am Anfang noch nix drauf hat. Dafür
lerne ich schnell neue Angriffe.
Nach circa fünf Stunden beginne ich,
die Invasion im vollen Umfang zu verstehen. Die Kämpfe werden fordernder,
aber auch durch neue Bewegungen interessanter.
Ungefähr nach zehn Stunden kommt
der Spielspaßeinbruch! Ich latsche durch diese riesigen öden
Areale, von Story ist so gut wie nichts zu sehen, die Monster kommen zuhauf
und lassen sich größtenteils gar nicht mehr greifen. Dadurch
fällt der Wrestlingaspekt weg und ich umrunde nur noch meinen Gegner,
um meine Fünffach-Combos einzusetzen. Und die Life Stations sind meilenweit
voneinander getrennt. Das macht keinen Spaß!
Nach mehr als 15 Stunden bemerke ich die
Vorwehen des Showdowns. Die Story-Elemente und Zwischensequenzen werden
zahlreicher, die Life Stations sind jetzt geradezu inflationär verteilt
und mein Spielercharakter ist mächtig - wie seine Gegner.
Ich schlage mich mit einem Hauptgegner
nach dem anderen, aber all die Items, die ich gespart habe, machen die
Kämpfe zu keiner Herausforderung. Gegen Ende gibt es noch ein paar
Überraschungen und dann folgt nach circa 20 Stunden der ordentliche
Abspann. Ich bekomme eine Statistik angezeigt und darf abschließend
noch einmal speichern. Die erzählte Zeit im Spiel beträgt übrigens
sechs Tage.
Fazit
Potential eindeutig verschenkt! So viele
gute und auch neue Ideen, die leider in diesem letztendlich doch ein wenig
unausgewogenen Genremix untergehen.
Dabei ist die Story komplex und recht
spannend aufbereitet, die verschiedenen Charaktere sind einzigartig und
nicht nur eindimensionales Kanonenfutter (das sind die Mutanten und Roboter).
Leider wird das alles verheizt, weil die Geschichte einfach zu selten in
den Vordergrund tritt. Das ist das große Problem des Spiels, denn
alles ist auf das Spiel- bzw. Kampfsystem ausgerichtet.
Mit mit dem Leveldesign verhält
es sich genauso: Eine Logik ist in dem unterirdischen Komplex nicht zu
erkennen. Diese unzähligen leeren Räume und Korridore, diese
unmotivierten Schalterrätsel. Wieso kämpfe ich mich durch dutzende
gegnerverseuchte Räume und komme dann ganz plötzlich in einen
wichtigen Raum, in dem sich zufällig meine Hybridengegenspieler aufhalten?
Im ganzen Spiel wird meines Wissens nach nicht erwähnt, dass die Mutanten
ihre Erschaffer nicht angreifen, und so viele Geheimgänge kann es
gar nicht geben...
So kämpfe ich und kämpfe ich
und muss erkennen, dass das System zwar gut ist, aber nicht 20 Stunden
bei Laune halten kann. Ich wollte das Spiel nach circa drei Fünfteln
nur noch durchspielen, damit ich es endlich aus meinem Modulschacht verbannen
kann. Das furiose Finale wiegt einfach zu wenig auf. Schade!
-Ralf-
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